Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 14. Sonntag im Lesejahr C 2013 (Galaterbrief)

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4. Juli 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Sich um Gott drücken

  • Man kann sich gut vor Gott drücken, indem man nie in eine Kirche geht und jedem religiösem Gedanken aus dem Weg geht, indem man seine Seele gut dagegen abschottet und jede Erschütterung abfedert, indem man für alles und jedes eine gute Erklärung hat und die letzten Fragen mit vorletzten Antworten beruhigt.
  • Man kann sich aber genauso vor Gott drücken, indem man dauernd in die Kirche geht, indem man alle frommen Gebete verrichtet, alle Wallfahrten mitmacht und alle Regeln befolgt. Man kann all diese frommen Sachen tun und letztlich insgeheim meinen, damit Gott unter Kontrolle zu halten. Dann ist auch das nur ein Weg, Gott aus dem Weg zu gehen.
  • Es ist in der Beziehung zu Gott nicht viel anders als in der Beziehung zu Menschen. Auch dort kann man auf beide Weisen vermeiden, sich mit dem anderen auseinanderzusetzen. Entweder ich gehe dem anderen von vorne herein aus dem Weg und tue so, als gäbe es ihn gar nicht. Oder ich fülle in der Beziehung zu einem anderen Menschen jede freie Minute mit hektischer Geschäftigkeit. Dauernd mache ich etwas um dem anderen zu beweisen, wie wichtig er für mich sei und wie unentbehrlich ich für ihn bin - nur Zeit, um ihm zuzuhören, für andere da zu sein und von einem anderen Liebe zu empfangen, das habe ich nicht.

2. Das Evangelium für die Galater

  • Wir haben heute den letzten Abschnitt aus dem Brief an die Galater gehört. Paulus hat diesen Brief geschrieben, um vor der Verfälschung der Beziehung zu Gott zu warnen. Denn in Galatien sind Prediger aufgetreten, die die Gemeinden unter Druck gesetzt haben, die Leute müssten erst alles Mögliche als Vorleistung tun, damit Gott sich ihnen zuwendet.
  • Das Evangelium aber ist doch, dass Gott uns seine Barmherzigkeit schenkt, schon lange bevor wir irgend etwas für ihn getan haben. Alles was an uns ist, ist Gottes Glauben an uns mit unserem Glauben an ihn zu beantworten, sein Vertrauen in uns mit unserem Vertrauen in ihn zu beantworten.
  • Was im Glauben Gesetz ist, hilft uns bestenfalls nur zu sehen, wo wir gegen die Liebe sündigen, die Gott uns anbietet. Schlimmstenfalls vergiftet es unser Gottesbild. Aber eine echte Beziehung zu Gott zu haben, die auf gegenseitiger Liebe gründet, beginnt nicht mit der Verurteilung des Gesetzes, sondern mit der Erfahrung der Barmherzigkeit. Auch in der Beziehung in einer Ehe steht doch nicht das Regelwerk zum Zusammenleben im Vordergrund, sondern die Liebe zueinander. Die Familien-Regeln ("Wer bringt den Müll runter?") sollen dann nur helfen diese Liebe zu leben.

3. Entdeckung Gottes

  • Warum also sollte jemand eine Beziehung zu Gott vermeiden - oder gar - wie oben im Vergleich beschrieben - zum eigenen Ehepartner. Paulus würde sagen: Weil das glaubende Vertrauen, der vertrauende Glauben fehlt. Vielleicht wollen Menschen dem ausweichen, einem anderen zu trauen. Dann aber ist es Aufgabe der Verkündigung zu diesem Vertrauen zu führen, und nicht Ausweichmanöver schönzureden.
  • Was aber kann das Motiv sein, dem vertrauenden Glauben auszuweichen? Paulus spricht vom Kreuz Christi, "durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt". Und dasselbe meint er, wenn er sagt: Es kommt nicht auf religiöse Leistung an "("ob einer beschnitten oder unbeschnitten ist"), "sondern darauf, dass er neue Schöpfung ist". Es geht also um Kreuz und Auferstehung, loslassen der alten Schöpfung und sich von Gott in eine "neue Schöpfung" verwandeln zu lassen. - Man sollte niemand Vorwürfe machen, der bei diesem Programm nicht gleich "Hurra!" schreit.
    • Wer Gott ausweicht, indem er die Fragen des Glaubens nicht an sich heranlässt, ahnt vielleicht mehr, als ihm selbst bewusst ist, wie unbedingt fordernd Gott sein kann - gerade weil Gott nicht ein Teil dieser Welt, sondern ihr Ursprung ist. So lange ich Gott irgendwie reduziere auf einen Teil dieser Welt, und sei es die Ganzheit der Natur und des Kosmos, so lange bleibt das, was da Gott genannt wird, noch begreifbar und berechenbar. Wenn Gott aber das absolute, unbedingte, diese Welt übersteigende Sein ist?
      Manche haben die Erfahrung gemacht, wie sehr gerade von Kirchen und religiösen Menschen dieser Gott in Anspruch genommen wird, um andere klein zu machen. Und doch ist auch noch mal in diesem Missbrauch Gottes die Größe Gottes zu erahnen.
    • Wer aber Gott ausweicht, indem er an die Stelle des Vertrauens ein feingesponnenes Netz von frommen Übungen setzt, der kann sehr viel genauer mit Paulus gefragt werden: Weichst du dem Kreuz aus? Weichst du dem aus, dich von Gott zu einer neuen Schöpfung machen zu lassen, weil du zu sehr an der alten hängst?
      Genau an dieser Stelle kann jeder von uns merken, dass wir im Glauben keineswegs bereits vollendet sind. Dabei sind mit "Kreuz" gerade nicht besondere asketische Leistungen und Selbstgeißelungen gemeint - das sollte nach allem Gesagten klar sein. Vielmehr dürfte für die meisten von uns das "kreuzigen der alten Welt" die Fähigkeit oder Bereitschaft meinen, die Sicherheit der vertrauten Gewissheiten aufzugeben. Es meint die Fähigkeit, sich durch die Erfahrungen anderer Menschen in Frage stellen zu lassen. Es meint vor allem die Fähigkeit hinzuhören auf die Opfer von Gewalt, gerade dort, wo die Gewalt von denen und dem ausgeht, was mir unantastbar scheint: der eigenen Familie, der eigenen Schule, Kirche, Sport- oder Chorgemeinschaft.
  • Die "neue Schöpfung", die uns verheißen ist, bedeutet vor allem eine neue Freiheit. Eine Freiheit, die nicht immer wieder neu erkauft und nach außen verteidigt werden muss, sondern die aus der Erfahrung kommt, dass Gott uns Menschen unbedingt vertraut. Die Freiheit, die in der Taufe gemeint ist, in der sich Gott öffentlich zu mir bekannt hat - und ich zu ihm. Die Freiheit, trotz aller Fragwürdigkeit und Bruchstückhaftigkeit einzustimmen in den Lobgesang der Größe Gottes, der sich in Christus offenbart hat: Gott für uns. Amen.