Predigt zum 13. Sonntag im Lesejahr B 2012 (2. Korintherbrief)
Zurück zur Übersicht von: 13. Sonntag Lesejahr B
1. Juli 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Geistliches für Menschen guten Willens
- In geistlichen Dingen soll man nicht nach allgemeinen Regeln suchen. Vieles hängt von der Situation
ab. Es ist ähnlich wie bei den Regeln zur Atemtechnik beim Radfahren: Es macht einen großen
Unterschied, ob ich bergauf oder bergab fahre. So ist es auch im Geistlichen wesentlich, ob ich gerade
beim Aufstieg oder beim Abstieg oder gar im freien Fall bin.
- Der Kontext in der heutigen Lesung aus dem 2. Brief des Apostels
Paulus an seine Gemeinde in Korinth
ist eine Kollekte. Die Korinther haben begonnen Geld zu sammeln, um
damit Arme in Jerusalem zu
unterstützen, vermutlich verarmte Mitglieder der jungen Christengemeinde
dort. Die Situationsbeschreibung könnte also lauten: Menschen, die sich
vorgenommen haben und dabei sind, Gutes zu tun.
- In anderen Situationen würde Paulus Anderes schreiben. Wäre es für die Gemeinde in Korinth typisch,
dass dort Menschen zwar viel haben, aber meinten, sie könnten sich keine Hilfe für andere leisten, wäre
es im Geistlichen ein anderes Thema. Vielleicht würde Paulus sie dahin führen besser zu sehen, dass
aller Reichtum dem Menschen letztlich geschenkt ist, ohne abzuwerten, was die Einzelnen dazu
beigetragen haben. Aber wenn Menschen gefangen sind in Ansprüchen an ihren Lebensstandard und
gar nicht mehr sehen, wie reich sie sind, dann wäre es wichtig, sie sehen zu lassen, wie arm jemand ist,
der sich der Liebe verschließt.
Dies aber ist hier nicht die Situation. Die Korinther sind vielmehr gutwillig und bereit anderen in Not
zu helfen. "Wenn nämlich der gute Wille da ist, ..." schreibt Paulus.
2. Ausgeglichen und situationsbezogen Helfen
- Was ist im Glauben der Maßstab und die Regel, wenn es darum geht, anderen zu helfen? Paulus
schreibt: "Es geht nicht darum, dass ihr in Not geratet, indem ihr anderen helft; es geht um einen
Ausgleich." Damit ist zweierlei gesagt:
- Der Anlass, warum man jemand anderen helfen möchte ist, dass dieser Hilfe braucht, sei es wie
hier finanzielle Hilfe, sei es irgend etwas anderes, mit dem ein Mensch einem anderen beistehen
kann mit Zeit und Engagement.
- Zweitens sagt Paulus aber: "Nicht dass ihr in Not geratet". Das ist ein gar nicht selbstverständlicher
Rat im geistlichen Leben. Denn angesichts der Not des Anderen, angesichts des Vielen, was zu tun
wäre, kann man leicht verzweifeln daran, wie wenig man helfen kann. Manche reiben sich dann
auf; andere halten dann jede Hilfe für zwecklose Tropfen auf den heißen Stein. Demgegenüber
sagt Paulus: Wenn Du in Christus lebst, hilf einfach, so wie Du es gut tun kannst, ohne selbst
Schaden zu nehmen.
- In jeder Hinsicht geht es "um einen Ausgleich", darum was angemessen und sinnvoll ist. Und wenn
Paulus gleich daran anfügt: "im Augenblick", dann macht er deutlich, dass jede Hilfe und jede
Hilfsmöglichkeit "im Augenblick" bedacht werden muss. Es gibt kein objektives, immer und überall
geltendes Maß. Und da er hier nicht an knausrige Geizhälse schreibt, sondern an Christen, die ja schon
dabei sind eine großzügige Spendenaktion zu organisieren, wird Paulus vor allem sagen wollen: Seht
zu, was ihr Euch vorgenommen habt, aber habt immer auch im Blick, was ihr zu leisten im Stande seid,
denn wenn ihr euch über alle Maßen engagiert, aber dabei selbst Schaden nehmt, ist niemanden
geholfen.
- Dem Rat zur ausgeglichenen Hilfe im konkreten Augenblick, entspricht eine Glaubenshaltung der
Gelassenheit. Das fällt nicht immer leicht, zumal wenn man mit wirklicher, tiefer Not konfrontiert wird.
Aber gerade als Helfende sollen die Christen vermeiden, sich wie ein Gott für alles Heil verantwortlich
zu fühlen und damit letztlich die gute Hilfe zu vergiften. Deswegen auch, damit sich keine
Überheblichkeit im Helfen einschleicht, erinnert Paulus daran, dass jeder, auch jeder Korinther, zu
manchen Zeiten Hilfe braucht, vielleicht nicht im Materiellen, aber dafür im Geistlich-Menschlichen.
"Euer Überfluss soll ihrem Mangel abhelfen, damit auch ihr Überfluss einmal eurem Mangel abhilft"
- oder eurem Mangel schon längst abgeholfen hat, wenn man bedenkt, dass die Korinther ihren
Glauben an Christus den Anfängen in Jerusalem verdanken.
3. Im Blick auf Christus leben
- Paulus gibt keine allgemein-verbindlich-unverbindlichen Ratschläge. Er hilft uns als Christen christlich
zu leben. Das bedeutet, immer wieder aus dem Christus-Geheimnis Kraft und Richtung empfangen.
"Denn ihr wisst, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe getan hat: Er, der reich war, wurde
euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen." Er, der Sohn Gottes von Ewigkeit her,
ist mit der ganzen Fülle der göttlichen Liebe arm geworden, ein Mensch unter Menschen, um uns Gott
ganz nahe zu bringen. Dadurch, dass uns Gott nicht als Gott, sondern als Mensch gegenüber tritt - und
gerade darin sich als der barmherzige Gott zeigt -, macht er uns "reich" im Glauben und Vertrauen.
- Im Blick auf Christus zu leben bedeutet, mich beschenken zu lassen und in mir die Liebe wecken zu
lassen, die mich reich macht - reich auch für andere. Zugleich aber darf ich wissen, dass Er Gott ist und
ich es nicht sein muss. Gott gibt mir Gaben, geistliche, menschliche, auch materielle. Ich kann damit
Gutes tun, aber ich muss nicht anfangen zu meinen, ich sei für alles zuständig.
- Dazu passt auch das Ende dieses Abschnittes. Paulus zitiert aus dem Buch Exodus jenen Vers, auf den
im kommenden Jahr auch das Motto des Deutschen Evangelischen Kirchentags Bezug nimmt: "Soviel
du brauchst". Das ist die Erfahrung des Volkes Israel bei der Wanderung durch die Wüste. Gott schenkt
ihnen Tag für Tag das Manna, das Brot vom Himmel, "soviel du brauchst". Das eigentliche Wunder
ist, dass jeder hat, soviel er genau für diesen Tag braucht, auch wenn manche mehr, manche weniger
gesammelt haben. "Wer viel gesammelt hatte, hatte nicht zu viel, und wer wenig, hatte nicht zu wenig."
Aus dieser Erfahrung wächst das Vertrauen des Glaubens, der fähig ist zu helfen. Amen.