Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 11. Sonntag im Lesejahr B 2012 (Ezechiel)

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17. Juni 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Eine komplizierte Geschichte

  • Das Land zerfällt immer mehr zwischen arm und reich. Der Staatshaushalt verschlingt immer mehr Geld - aber bei denen, die es brauchen, kommt immer weniger davon an. Bei den Regierenden ist man zu sehr mit internationaler Machtpolitik beschäftigt. Konferenzen mit anderen Staatsführern scheinen wichtiger, als konkrete Versuche, das Los der Armen im Land zu verbessern.
  • Die Rede ist nicht von Deutschland 2012, sondern von Israel vor 2.600 Jahren.
    Babylon unter König Nebukadnezar war das neue Großreich, das mehr und mehr die kleinen Länder unterwarf. In Jerusalem war König Jojakim, in seinem Kleinstaat ein despotischer Herrscher. Als er von den mächtigen Babyloniern abgesetzt wird, weint ihm der Prophet Ezechiel keine Träne nach. Ja, Ezechiel sieht sogar Gott am Werk, der sich des Nebukadnezzar aus Babylon bedient, um Israel von seinem ungerechten König zu befreien.
  • Ein neuer König in Jerusalem, Zidkija, hatte dann Nebukadnezzar feierlich seine Treue versprochen. Ein Fiskalpakt, der viel Geld kostete. Aber man hätte damit leben können - und hätte endlich anfangen können, eine gerechtere Wirtschaftsordnung aufzubauen. Statt dessen hat Zidkija die erstbeste Möglichkeit genutzt, sich an der Seite der Ägypter gegen Nebukadnezzar aufzulehnen und den Treuevertrag zu brechen. Das Ergebnis war die völlige Zerstörung Jerusalems 587 vor Christus.

2. Die ständigen Strategiespiele

  • Diese Geschichte liegt über zweieinhalb Tausend Jahre zurück. Sie könnte uns gleichgültig sein, wenn daran nicht die heutige Lesung aus dem Buch Ezechiel anknüpfen würde. Die Geschichte ist interessant, weil sich die Botschaft des Ezechiel genauer betrachtet als sehr aktuell erweist. Sie lautet: Wer versucht im Spiel der jeweils Mächtigen mitzuspielen, aber sich nicht bei sich daheim um Gerechtigkeit kümmert, hat keinen Bestand - weder vor der Geschichte noch in Gottes Augen.
  • Wir müssen gar nicht die große Politik bemühen. Das Spiel gibt es genau so auch im Kleinen. Menschen verschwenden Zeit und Energie darauf, zu schauen, wie sie sich mit wem gutstellen, wem sie Gefälligkeiten erweisen und wen sie ignorieren. Das fängt in der Schule an und wird bis zum Arbeitsplatz perfektioniert, das fängt am Küchentisch an und hört leider noch nicht einmal in der Kirche auf.
  • Immer geht es dann nur darum, wie ich mich positioniere, wo ich mich denen anschließe, die (scheinbar und derzeit) mächtig sind und den Trend angeben, und wo ich ganz schnell die Fronten wechsle, wenn es opportun erscheint.

3. Gott führt es aus

  • Dagegen gibt Ezechiel Gott eine Stimme: "Ich selbst", spricht Gott, bin es der einpflanzt und dem Wachstum Bestand gibt. "Ich mache den hohen Baum niedrig, den niedrigen mache ich hoch. Ich lasse den grünenden Baum verdorren, den verdorrten erblühen. Ich, der Herr, habe gesprochen, und ich führe es aus." Gegenüber allen Strategiespielchen der Menschen wird sich Gott als der Entscheider erweisen.
  • Jesus nimmt die Botschaft des Ezechiel in seinen Gleichnissen auf. In der Bergpredigt sagt er im Gleichnis von den Lilien auf dem Feld: "Euch muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben." Und im heutigen Gleichnis von der selbstwachsenden Saat heißt es: "der Samen keimt und wächst, und der Mann weiß nicht, wie".
  • An Gott glauben bedeutet daher: Zusehen, dass der richtige Same gesät wird, und darauf vertrauen, dass Gott die Saat zum Wachsen bringt; Zeit und Energie auf die Gerechtigkeit und Liebe verwenden, und nicht ängstlich schauen, wie ich mich mit wem verbünden muss, um mich durchzusetzen. Durchsetzen wird sich am Ende Gott - und das ist das Beste, was uns passieren kann. Amen.