Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 11. Sonntag im Lesejahr A 2008 (Matthäus)

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15. Juni 2008 - Universitätsgottesdienst St. Antonius

1. Gottes Fürsorge für sein Volk

  • Gott ist nicht fern. Es ist Gott zu eigen, teilzuhaben am Weg der Menschen in dieser Welt, die Gott erschaffen hat, trägt und hält. Mit dem Menschen hat Gott ein Wesen erschaffen, das nach ihm sucht und ihm begegnet. Gott interessiert sich für den Menschen, denn Gott ist Liebe. Die Liebe schenkt Aufmerksamkeit und lässt Freiheit gerade auch dort, wo sie teilnimmt am Leben des anderen. So konnte Gott sich ein Volk berufen, um mit Menschen und durch Menschen seinen Weg zu allen Völkern zu gehen. Das ist der Glaube, von dem die Bibel Zeugnis gibt und in dem das Evangelium uns stärken will.
  • "Ihr sollt mir als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören." Der Satz der Ersten Lesung aus dem Bundesschluss am Sinai ist eine Zusammenfassung dieses Glaubens. Ein Volk von Priestern ist berufen priesterlich zu sein unter den Völkern, Gott zu den Völkern zu führen und das Schicksal der Völker zu Gott zu tragen. Sie sollen es tun, indem sie sich heiligen lassen von Gott: In Gerechtigkeit zu leben und Liebe.
  • "Wir sind sein Volk und die Herde seiner Weide." Der Vers aus Psalm 100 greift das auf und führt es weiter. Denn im Bild vom Hirten wird ausgedrückt, dass die Menschen Gottes Fürsorge erfahren. Dieses Vertrauen als Grundlage dessen, was wir sind, macht doch eigentlich richtigen Glauben aus. Immer wieder wird Gott als der eigentliche Hirt erfahren, gerade dort, wo irdische Führer des Volkes sich als Verführer erweisen, das Volk in die Irre leiten und ihre Macht missbrauchen. Gott aber ist und bleibt der Gute Hirt.

2. Eine priesterliche Sendung

  • Jetzt setzt Jesus ein. In dem Augenblick, als Israel ohne jeden Einfluss ist, gut 700 Jahre nachdem 10 der 12 Stämme von den Assyrern zerschlagen wurden, knapp 600 Jahre nachdem auch die letzten beiden Stämme ihrer Staatlichkeit beraubt wurde, ihr Tempel und ihre Hauptstadt Jerusalem zerstört wurde, in einer Zeit nun in der Judäa eine unbedeutende Provinzstadt am Rand des römischen Weltreiches war, kommt Jesus. Er sagt, er sei aus Gott gekommen um die Berufung Israels zu erfüllen und zu vollenden, ein priesterliches Volk zu sein für die Völker, damit alle erfahren können, dass Gott den Menschen nahe ist: der Gute Hirt.
  • Deswegen beruft Jesus Zwölf seiner Jünger als Apostel. Sie sind seine Gesandten. Unterschiedlicher könnten sie kaum sein, Fischer, Zöllner und fromme Eiferer, Leute die ganz in der hebräischen Kultur zu Hause sind, und solche, die tief geprägt sind von der griechischen Kultur im Römischen Reich (So zumindest können wir es von den Aposteln vermuten, die griechische Namen tragen). Doch zuvor, so wird es vom Matthäusevangelium deutlich herausgearbeitet, offenbart sich Jesus als der eigentliche Gute Hirt seines Volkes durch die Lehre der Bergpredigt, indem er die Wunden des Leibes und der Seele heilt und indem er mit denen aus seinem Volk Gemeinschaft sucht, die von den anderen gemieden werden.
  • Gott ist barmherzig. Diese Barmherzigkeit wird im Herzen Jesu sichtbar. "Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben." Die irdischen Pastoren versagen. Gott selbst ist Hirt seines Volkes. In Jesus, dem Gesalbten, handelt und wirkt Gott. Das wird klargestellt bevor Jesus die Zwölf zu allen Teilen seines Volkes Israel schickt.

3. Ein Volk für die Völker

  • Ja, in dem Evangelium hat die Kirche seit früher Zeit ihre Sendung und die Grundlage ihrer apostolischen Struktur gesehen. Allzu leicht wurden und werden aber die Klarstellungen dabei übersehen. Gott ist Hirt in Christus. Er ist es auch für uns aus den vielen Völkern ("den Heiden") dadurch, dass er seine Apostel zuerst zu seinem Volk Israel sendet. Und dann steht da noch die Aufforderung "Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden."
  • Ernte ist zunächst eine Zeitbestimmung. In der Bibel signalisiert das Bild von der Ernte, dass die Zeit des Abwartens vorbei ist. Gott hat gesät und die Saat wachsen lassen. Wenn die Zeit vollendet ist, sendet Gott seine Engel, um zu sehen, was aus der Saat geworden ist. Allzu leicht wird das Wort "Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter" auf geistliche Berufungen gemünzt. Das Matthäusevangelium aber lässt das Bild mit Bedacht offen. Denn so müssen wir, die Hörer des Evangeliums, uns fragen, was eigentlich unsere Rolle und Berufung ist.
  • Am Schluss des Evangeliums wird der Auferstandene die Jünger zu allen Menschen in allen Völkern senden, um sie einzuladen, sich in die Gemeinschaft Gottes hineintaufen lassen. Daher ist unsere Sendung als Gemeinschaft der Kirche nie selbstbezogen. Und ohnehin wird zur Erntezeit gefragt werden: Was hast Du den Geringsten meiner Schwestern und Brüder getan? Hast Du sie besucht, ihren Hunger gestillt und sie bekleidet. Aber gerade für diese Berufung werden wir zuerst im Blick auf die Sendung Israels berufen, ein Volk zu sein aus Schwestern und Brüder. Hier, in solcher Gemeinschaft, wird erfahrbar, dass Gott uns nahe ist. In der Gemeinschaft derer, die Jesus nachfolgen und miteinander auch Schwäche und Krankheit tragen und die menschenverachtenden Dämonen austreiben, zeigt sich Gott als der sammelnde Hirt seines Volkes. Als Individualisten können wir auch nur Individualismus ausstrahlen. Nur als Gemeinschaft des Gottesvolk kann Israel und können wir als Kirche den Menschen anderes, Not wendendes bringen. Nicht aus eigener Vollmacht, sondern als Jesu Jünger und Gesandte, wird sichtbar wie wunderbar Gottes Saat aufgehen wird und wie groß die Ernte ist, Frucht aus allen Völkern. Amen.