Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 10. Sonntag im Lesejahr C 2013 (Galaterbrief)

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9. Juni 2013 - Manresa-Messe, St. Joseph (Hamburg-St. Pauli)

1. Starke Überzeugungen

  • Er nannte sich selbst einen "alten Atheisten". Alt war er und vor ein paar Jahren ist er gestorben. Ob er wirklich ein Atheist war, da waren wir uns am Schluss beide nicht so sicher. Er misstraute Überzeugungen, - außer natürlich den eigenen, die er liberal nannte, und die ihm beim Erwerb eines nicht unerheblichen Vermögens sicher nicht hinderlich waren.
  • Er hatte immer und immer wieder ein Argument gegen starke Überzeugungen in Politik oder Religion, das waren seine Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus. Den hat er als eine Art Religion empfunden und so blieb er gegenüber aller Religion skeptisch - und liebte es zugleich mit mir lange darüber zu diskutieren. Ich erinnere mich nicht, ob wir dabei auch auf Paulus und den Galaterbrief zu sprechen kamen.
  • In dem Abschnitt, den wir heute gehört haben formuliert Paulus drei Gedanken. Erstens beruft er sich bei dem, worum es hier geht, nicht auf menschliche Einsicht oder Rücksicht, sondern unmittelbar auf Christus. Zweitens erinnert er die Leser daran, wie maßlos er selbst in seiner Religiosität war - bis hin zur Verfolgung der jungen Kirche. Und drittens, dass er sich Jahre Zeit genommen hat, bevor er seine eigene Glaubenserfahrung im Gespräch mit Petrus gegengecheckt hat.

2. Vom äußeren Übereifer zum Trauen

  • Paulus ist offenbar der Ansicht, dass er früher deswegen in seiner Religiosität so maßlos war, weil er letztlich zu sehr an deren menschlichen Seite hängen geblieben war. Er urteilt ja nicht über sein früheres Judesein als solches, sondern über das Maßlose und Übereifrige.
  • Solcher Übereifer rührt immer aus einem Mangel an Glauben, nicht aus einem Zuviel. Denn Glauben ist ein Hineintreten in die Beziehung mit Gott, in der ich erfahre, dass Gott mir traut, vertraut und etwas zutraut, und ich darauf mit gläubigen Vertrauen diesem Gott gegenüber antworte. Der frühe Paulus hat auf das Äußere seiner Religion vertraut. Die zentrale Botschaft der hebräischen Bibel ist ihm dadurch verschlossen geblieben: Gott ist barmherzig und will das Leben des Menschen, nicht seinen Tod.
  • Hier liegt der geistliche Sinn des Evangeliums von der Erweckung eines jungen Mannes nahe der Stadt Naïn. Jesus offenbart Gottes Zuwendung durch das Sterben hindurch. Wo ich bis zum Letzten kämpfe, um nur nicht loslassen und sterben lassen zu müssen, da werde ich gefährlich maßlos und übereifrig. Wenn ich mir von Gott ein Grundvertrauen schenken lasse, dass er und nicht ich Herr des Lebens bin, dann habe ich mich von den äußeren Formen des Glaubens zu einem inneren Trauen Gottes führen lassen.

3. Standortbestimmung

  • Ein jeder muss selbst sehen, wo er oder sie auf dem Weg des Glaubens steht. Mehr bei dem, der sich aus Misstrauen gegen jede starke Überzeugung auf seine Liberalität zurück gezogen hat, die aber letztlich so fragil ist wie die eigene Leistungskurve. Oder sehen Sie sich eher bei dem früheren Paulus, dessen Glaube sich mehr aus Äußerlichkeiten nährt, auch wenn sie diese vermutlich nicht so maßlos verteidigen wie der Christenverfolger Paulus? Oder dazwischen?
  • Es gibt den Punkt, an dem auch ein Paulus zu Petrus geht, zu Kephas, dem Felsen der Kirche. Das ist dann, wenn er sich selbst in Dienst nehmen lässt für die Verkündigung des Evangeliums. Davor aber liegt die Zeit, in der Paulus nicht nach Menschenmeinung fragt, sondern den Weg des persönlichen Glaubens geht, sich von Gott seine alten Gewissheiten nehmen lässt, um das Vertrauen neu zu lernen..
  • Dies ist die Zeit des Vertrauens in die Treue Gottes, durch die ich das Alte sterben lassen kann, damit Gott selbst das Neue zum Leben erweckt. Amen.