Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 1. Fastensonntag Lesejahr B 2015 (Genesis/Taufe)

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22. Februar 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Auf Gottes Nähe vertrauen

  • "Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium." In diese Kurzformel packt Markus das, was Jesus gesagt hat und wofür er gelebt hat.
    • "Reich Gottes " meint den Bereich, in dem Gott wirksam werden kann.
    • "Kehrt um" ist die Aufforderung zur Neuausrichtung des ganzen Menschen.
    • "Glaubt an das Evangelium" bedeutet: Vertraut auf das, was hier öffentlich bekannt gemacht wird.
  • Dieses Vertrauen baut auf der Zusage "Das Reich Gottes ist nahe." Offenbar also ist Gott von der Art, dass er dieses Vertrauen verdient und offenbar ist das der Grund, warum wir vertrauen können, wenn er am Wirken ist.
  • Als Lesung aus dem Alten Testament haben wir dazu den Abschluss der Erzählung von Noah und der Sintflut gehört. Es liegt also nahe, diese Erzählung danach zu befragen, von welcher Art Gott ist, der hier verkündet wird und ob es gut ist, diesem Gott zu vertrauen.

2. Die Noah-Erzählung und ihre Deutung

  • Der Kern diese Erzählung geht weiter zurück als fast alles sonst in der Bibel. Schon Jahrhunderte, bevor die erste Zeile der Bibel aufgeschrieben wurde, hat man sich diese Geschichte erzählt, und das nicht nur in Israel. Vielmehr gehört die Erinnerung an die Große Flut zum Gemeinwissen der Menschheit zwischen Persien und Ägypten. Ob die verschiedenen Erinnerungen auf ein einzelnes Ereignis oder mehrere zurück gehen, auf einen Tsunami nach Meteoriteneinschlag oder auf den Durchbruch des Bosperus, aus dem das Schwarze Meer entstand, lässt sich nicht mehr entscheiden. Aber es ist davon auszugehen, dass sich die Erinnerung an eine große Flutkatastrophe bewahrt hat.
  • Im frühen Israel sah man keinen Grund, an dieser Erinnerung zu zweifeln. Nur die Deutung, die die anderen Völker dem Ereignis gaben, schien zweifelhaft. Die ältesten vor-biblischen Quellen erzählen, die Götter hätten sich entzweit, der eine Gott habe die Erde zerstören wollen, der andere habe durch eine Vorwarnung an eine Noach-Figur die Rettung einzelner ermöglicht.
  • Diese Erklärung konnte in Israel nicht befriedigen. Gott ist ein einziger. Er hat aus Barmherzigkeit die Welt als Lebensraum für den Menschen geschaffen. Gott liebt den Menschen. Wenn also etwas dieses gute Werk Gottes bedroht, dann ist es die Ungerechtigkeit des Menschen, die wie eine Flut über die Welt kommt.
    Der enttäuschte Zorn Gottes, mit dem man die Flut erklärte, war die - uns heute sehr menschlichen anmutende - Erklärung für die Flut. Dahinter steht also eine leidenschaftliche Liebe Gottes. Diese Leidenschaft Gottes ist die Erfahrung des Menschen, der sich auf Gott einlässt. Hier ist die 'Pointe' der Erklärung, die man in Israel der uralten Erzählung von der Flut gab. Das Faktum der globalen Flut wollte man nicht leugnen. Aber selbst im Zorn überwiegt Gottes Rettung. Gottes Barmherzigkeit auch gegenüber dem Sünder ist stärker als sein Zorn. Und so schließt die biblische Erzählung mit der Zusicherung: Gottes Liebe ist verbindlich: "Nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben".

3. Die Sintflut als Taufe

  • Deswegen kann das Ende der Erzählung von Noah und der Sintflut am Beginn der Fastenzeit stehen. Die Fastenzeit hat ihren Ursprung darin, dass die ganze Gemeinde sich mit denen verbindet, die sich auf die Taufe an Ostern vorbereiten. In unserer Gemeinde werden in der Osternacht fünf Jugendliche getauft werden. Für den Ostermontag bereiten sich weitere Familien darauf vor, ihre Kinder zur Taufe zu bringen. Diese Täuflinge sind, zusammen mit uns und allen Getauften berufen, dem "Nie wieder" Gottes Gestalt zu geben. Nie wieder soll das Unrecht Überhand nehmen.
  • Die Bibel gestaltet die Sintflut-Erzählung so, dass sie zum Ausdruck für den Bund werden kann, den der lebendige Gott allen Menschen anbietet. "Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und den lebendigen Wesen bei euch für alle kommenden Generationen". Gottes Liebe wird verbindlich, indem sie allen Menschen den Bund anbietet.
    Für jeden Einzelnen von uns bedeutet dies, durch das Wasser der Taufe hindurch immer wieder neu das Unrecht der Gewalt zu überwinden. Das Paradies haben wir Menschen verwirkt, als wir nach der Frucht gegriffen haben, die Herrschaft zu versprechen schien, aber nur Gewalt gebracht hat, die Frucht vom "Baum der Erkenntnis von Gut und Böse" (Gen 2,9). Aber Gott setzt nach der Flut einen neuen Anfang.
  • Alles, was konkret die Gestaltung der Fastenzeit ausmacht, ob Fasten oder besondere Werke der Liebe, kann nur ein Zeichen und eine Einübung sein, sich neu mit Gott zu verbinden, ein verbindliches "Ja" im Glauben zu seinem Angebot der verbindlichen Liebe zu sagen. Die Vorbereitung auf die Taufe - oder auf die Tauferinnerung in der Osternacht - soll uns an die Liebe erinnern, mit der wir geliebt werden, und bereit machen, alles selbstherrliche Streben untergehen zu lassen, das doch nur immer wieder den anderen die eigenen Maßstäbe "von Gut und Böse" aufzwingen will. Im Vertrauen auf das Evangelium können wir miteinander umkehren und uns in der Liebe stärken lassen, die uns geschenkt ist, denn "das Reich Gottes ist nahe". Amen.