Predigt 1. Adventssonntag Lesejahr B 2011 (1. Korintherbrief)
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27. November 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Advent ist nicht Weihnachten
- In der Kirche beginnt der Advent nicht weihnachtlich. Die Lesungen und Gebete am Ersten
Advent schmecken nicht nach Spekulatius und Glühwein. Heute beginnt das neue Jahr der
Kirche. Am Anfang steht dabei der Weckruf "Seid wachsam!".
- Dazu sieht die Leseordnung für dieses Jahr den Beginn des 1. Korintherbriefes vor. Darin steht
nichts, was uns nach Advent und Weihnachten klingt. Statt dessen fasst Paulus in den ersten
Sätzen des Briefes zusammen, was die Grundlage dafür ist, dass wir Kirche und Christen sind.
Die Erinnerung daran ist hilfreich, weil sie Anstoß für einen Neuanfang sein kann: Was soll
das, dass wir hier zusammen die Kirche Gottes am Kleinen Michel zu Hamburg bilden? Ist das
etwas Entscheidendes für unser Christsein?
- Wir sind "berufen zur Gemeinschaft mit Gottes Sohn, Jesus
Christus". Mit anderen Worten:
Wenn wir von Gott, dem Ursprung unsres Lebens her sehen, dann ist dies
das Ziel, das allem
anderen Sinn gibt: "Gemeinschaft mit Gottes Sohn, Jesus Christus". Diese
Gemeinschaft
verwirklicht sich überall dort, wo wir nicht für uns selber leben,
sondern für einander, besonders für die, die in Not sind. Ohne
Nächstenliebe kann es keine "Gemeinschaft mit Gottes
Sohn, Jesus Christus" geben. Das aber ist kein billiger moralischer
Appell, und auch die
üblichen guten Vorsätze passen besser zum Kater am Neujahrsmorgen, als
zum Beginn des
Kirchenjahres am 1. Advent. Vielmehr ist es "Berufung zur Gemeinschaft",
also eine Einladung, an etwas teilzuhaben, das uns trägt, Sinn und
Richtung gibt und erst den Freiraum
schaffen kann, liebende Menschen zu werden.
2. Apostel des Gesalbten
- Den Brief nach Korinth schreibt Paulus als "durch Gottes Willen berufener Apostel Christi
Jesu". Das ist keine Floskel, sondern Programm. Nicht als Privatmensch Paulus schreibt er,
sondern als Apostel: Gesandter und Stellvertreter, Botschafter, der ganz von der Weisung
dessen abhängt, der ihn gesandt hat, der zugleich aber auch die Vollmacht hat, im Namen
dessen zu sprechen und zu handeln, der ihn gesandt hat. Der Apostel ist vergleichbar dem
Verhandlungsführer eines Konzern, der Vollmacht hat zum Vertragsabschluss. Als solcher
schreibt Paulus nach Korinth. [Dies wird auch dadurch betont, dass Paulus "Christi Jesu"
schreibt und damit betont, dass Jesus der von Gott zum König Gesalbte ist.]
- In der Liturgie wird dieses Grundverhältnis abgebildet. Nicht als Privatmensch leite ich die
Versammlung, als hinge es von meinen Qualitäten und Leistungen ab. Das Messgewand, das
ich trage, signalisiert vielmehr: Ich erfülle einen Auftrag, spreche und handle in der Liturgie der
Hl. Messe nicht aus Eigenem, sondern als Botschafter und Stellvertreter. Früher hat der Priester
deswegen sogar das Messgewand zur Predigt abgelegt, weil er hier persönlicher spricht, als in
den Gebeten. Als Privatmensch kann ich keine Worte der Wandlung über Brot und Wein
sprechen, sondern nur, weil mir ein Bischof in der Tradition der Apostel die Vollmacht dazu
durch die Priesterweihe gegeben hat. Auch die anderen, die in der Liturgie einen besonderen Dienst haben, tragen besondere Gewänder, denn der Apostldienst ist der Kirche vielfältig aufgetragen.
All das ist für die Kirche wesentlich, weil wir hier etwas
empfangen, das wir nicht selbst machen, sondern nur durch Christus Jesus durch seine Apostel
empfangen können.
- Genauso wesentlich ist deswegen aber auch das andere: Die Gemeinde ist nicht nur Empfänger,
die zur Geistfütterung den Bischof und seine Priester brauchen. Im Gegenteil: Weil es um die
Gemeinschaft mit Jesus Christus geht, ist die Gemeinde als das Volk Gottes wesentlich das
Gegenüber, der Apostel ist nur Instrument - und er sollte dies nie vergessen. Auch zur Feier der
Heiligen Messe gehört wesentlich die Gemeinde. Es kann grundsätzlich kein Messopfer geben,
in dem sich Christus schenkt, ohne eine Kirche, die ihr "Amen" spricht und Christus empfängt.
[Eine Messe, die ein Priester ohne Gemeinde feiert kann daher nur die Ausnahme sein und
bleibt immer auf die Gemeindemesse bezogen.]
3. Christ und Gemeinde
- Wie steht es nun zu Beginn des Kirchenjahres um uns als Gemeinde? Wie steht es um jeden
einzelnen von uns als Gemeinschaft mit Christus Jesus, von dem wir Gottes Gegenwart
empfangen?
Wir können dankbar sein, hier einen Ort zu haben, an dem viele und sehr verschiedene
Menschen Gott erfahrbar machen, in ihrem Gebet und in der Mitfeier der Gottesdienste, in
ihrem Engagement, das oft sichtbar, oft aber im Verborgenen geschieht. Hier ist Gott selbst am
Werk, so dass, wie Paulus sagt "bei euch kein Mangel an Gnadengaben ist". Und er fügt hinzu:
dass Ihr viele Gaben habt "während ihr auf die Offenbarung Jesu Christi, unseres Herrn,
wartet". Das bedeutet: Hier sind viele Menschen, die offen sind dafür, dass Christus nicht
unsichtbar bleibt, sondern erfahrbar - offenbar - wird.
- Paulus dankt "Gott jederzeit euretwegen für die Geschenke Gottes, die euch in Christus Jesus
geschenkt wurden, dass ihr an allem reich geworden seid in ihm, an vielerlei heilsamen Wort
Rede und vielerlei Erkenntnis". Er, der berufene Apostel weiß, dass erst dadurch, dass das Wort
des Evangelium unter Euch lebt, das "Zeugnis über Christus" lebendig ist. Euer Glaube erst
bestätigt und bezeugt das Evangelium, das uns aufgetragen und übertragen wurde.
- Nicht durch die Predigt des Pfarrers, nicht durch ein gelehrtes
Buch des Papstes oder durch ein
Konzil der Apostel wird das Evangelium lebendig, sondern nur in der
ganzen Kirche. Christlicher Glaube ist die Berufung zur Gemeinschaft mit
Christus. Wenn aber Paulus schreibt, dass
"ihr an allem reich geworden seid", dann wird zugleich deutlich, dass das nicht von jedem
Einzelnen von uns für sich gilt, sondern nur von uns als Gemeinschaft. Ausführlich wird Paulus
daher im Korintherbrief auf die verschiedenen Gnadengaben zu sprechen kommen.Er schließt damit an das Bild Jesu aus dem Evangelium an: "Es ist wie mit einem Mann, der sein Haus verließ,
um auf Reisen zu gehen: Er übertrug alle Verantwortung seinen Dienern,
jedem eine bestimmte Aufgabe."
- Dies ist kein schlechter Auftakt für ein neues Kirchenjahr: Wir bereiten uns im Advent vor auf
das Fest des großen Geschenks der Gegenwart Gottes: seine Menschwerdung. Paulus erinnert
uns daran, was dies bedeutet: Wir machen uns neu auf die Suche, den Reichtum "an vielerlei
heilsamen Wort Rede und vielerlei Erkenntnis" gegenseitig wahrzunehmen. Miteinander
darüber zu sprechen - nicht nur im Gottesdienst und im Bibelkreis, sondern genauso am
Küchentisch und beim abendlichen Glühwein oder Bierchen - das ist ein rechter Advent. Dann
gilt für Weihnachten: Haltet euren Glauben lebendig, "so dass ihr unanfechtbar dasteht am Tag
Jesu, unseres Herrn". Amen.